Corona mischt den Klinik-Alltag auf

Mit uns im Interview: Klinikleiterin Katrin Hell vom Marianne van den Bosch Haus in Goch

Seit wann gibt es das Marianne van den Bosch Haus und seit wann sind Sie dort tätig?

Unser Haus gibt es seit 1997 und ich bin seit 16 Jahren hier tätig. Direkt nach meinem Studium der Sozialpädagogik habe ich in der psychosozialen Beratung angefangen und z.B. in den Bereichen der Trauerarbeit oder Selbstwerttraining gearbeitet. Im November letzten Jahres habe ich die Leitung der Klinik übernommen, wofür die Erfahrung meiner vorherigen Tätigkeit immens hilfreich ist.

Wie viele Kurmaßnahmen für wie viele Mütter führen Sie jährlich durch?

Bei uns finden pro Jahr 15 Kurmaßnahmen mit je 25 Müttern und 36 Kindern statt. Aufgrund unserer überschaubaren Kapazität und der gemeinsamen Anreise der Gruppen herrscht bei uns eine sehr familiäre Atmosphäre, was als sehr positiv und hilfreich erlebt wird. Den Müttern fällt es in diesem Umfeld leicht, sich zu öffnen und sich authentisch zu zeigen und sie trauen sich so, auch einmal Schwäche vor anderen zu zeigen. Weil sie dadurch erleben, dass sie in ihrer Situation nicht allein sind, profitieren alle Mütter gegenseitig sehr davon.

Wie verlief die Schließung Ihrer Klink aufgrund von Corona?

In Nordrhein-Westfalen (NRW) war unsere Klinik die, die am längsten geöffnet hatte, und zwar bis 29. April. Die Schließung bahnte sich für uns und andere Kliniken des MGWs in einem konstruktiven Prozess mit Telefonkonferenzen mit dem Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes NRW an. Wir konnten den noch laufenden Kurdurchgang am 28. April abschließen und entsprachen danach der Schließungsverfügung des Ministeriums. Das Schlimmste war für uns in dieser Situation die Ungewissheit, wann und unter welchen Bedingungen wir wieder Frauen und Kinder zur Kur aufnehmen können. Letztlich mussten wir 3 Kurdurchläufe absagen, worauf die betroffenen Mütter angesichts der Corona-Krise mit Verständnis reagiert haben.

Wann und unter welchen Voraussetzungen durfte Ihre Klinik wieder öffnen?

Wir konnten unsere Klinik am 18. Juni unter Einhaltung von Hygiene- und Schutzmaßnahmen und mit geringerer Belegung wieder öffnen. Eine große Herausforderung hierbei ist es, einigen Müttern die Kur absagen zu müssen. Bei den Absagen wird die Angespanntheit der Frauen sehr deutlich und die Reaktionen fallen sehr emotional aus: Einige brechen in Tränen aus, manche reagieren wütend und mit Beschimpfungen. Wir bieten allen Frauen an, dieses Jahr noch in unsere Klinik zu kommen, was viele annehmen, manche dann letztlich aber nicht mehr wollen.

Wie verliefen die Vorbereitungen in der Klinik, um die Hygiene- und Schutzmaßnahmen einzuhalten?

Wir mussten für jeden Bereich der Klinik (Kinderland, Hauswirtschaft, Nachtbereitschaft, Psychosoziales Team und Bäderabteilung) ein Hygienekonzept entwickeln und dem Gesundheitsamt Kleve vorlegen. Trotz des großen Zeitdruckes haben wir diese Aufgabe als Team mit viel Freude und Kreativität gemeistert und Spaß daran gehabt, z.B. ein Pixie-Buch für Kinder zu entwickeln, in dem die Maßnahmen kindgerecht erklärt werden. Als Team hat uns diese Aufgabe sehr zusammengeschweißt.

Wie sehen die Hygiene- und Schutzmaßnahmen konkret aus?

Vor Kurbeginn kontaktieren wir alle Teilnehmerinnen telefonisch und informieren sie über die Maßnahmen in unserer Klinik und überlassen ihnen die Entscheidung, ob sie unter diesen Umständen an der Kur teilnehmen möchten, was sehr selten zu Absagen führt. Beim Start der Kur führen wir nun eine Schulung zu den Hygienemaßnahmen während der Kur durch, wie z.B. Tragen eines Mundschutzes für Mütter, allmorgendliche Temperaturmessung bei den Kindern, Besuchsverbot im Kurzeitraum und Vermeiden von Ausflügen in eine Stadt im Umkreis.

Außerdem halten wir eine Etage in der Klinik als Quarantänestation für den Ernstfall frei. Bei einem positiven COVID-19-Fall müssten alle Mütter abreisen und unser gesamtes Personal für 2 Wochen in häusliche Quarantäne.

Wie haben die Mütter auf diese Maßnahmen reagiert?

Die Maßnahmen werden von den Müttern sehr gut akzeptiert und eingehalten. Im Vergleich zu Kuren vor Corona merkt man deutlich, wie erschöpft die Mütter sind, was dazu führt, dass sie sehr dankbar und zufrieden sind, aktuell an einer Kur teilnehmen zu können.

Was bedeuten die Maßnahmen finanziell und personell für Ihre Klinik?

Bis Ende September erhalten wir noch Gelder aus dem Rettungsschirm der Bundesregierung, was die Minderbelegung unseres Hauses in etwa ausgleicht. Durch Corona sind für uns aber erhebliche Mehraufwände wie z.B. für Spuckschutzvorrichtungen in unseren Büroräumen entstanden.
Personell konnten wir bislang durch flexible Lösungen Kurzarbeit oder gar Entlassungen vermeiden. Wir arbeiten mit Hochdruck daran, dass wir die herausfordernde Situation auch weiterhin gut meistern werden.

Herzlichen Dank für das tolle Gespräch.

Foto Katrin Hell © Marianne van den Bosch Haus - Thomas Momsen