Kuren für pflegende Angehörige

In einem emotionalen Bericht erzählt eine pflegende Angehörige von ihrer Mütterkur.

Jahrelang pflegte Elisabeth M.* neben dem Vollzeitjob ihre beiden Eltern. Nach dem Tod ihres Vaters gab es so viel zu erledigen, dass ihre Akkus danach komplett leer waren.

"Ich war sowas von erschöpft und habe einfach nur noch funktioniert. Das war vor meiner Kurmaßnahme für pflegende Angehörige im letzten Jahr in der Mütterklinik in Wertach/Allgäu. 

Ich pflege seit drei Jahren meine 83-jährigen Eltern. Mein demenzkranker Vater ist nach einem langen gemeinsamen Abschied im letzten Jahr verstorben. Er benötigte eine „Rund-um-die-Uhr-Betreuung“, wollte aber nicht von fremden Leuten gewaschen oder versorgt werden. Ich habe ihm versprochen, alles erdenklich Mögliche in seinem Sinne zu tun und ihn nicht in ein Pflegeheim zu geben. Meine gehbehinderte Mutter konnte die Pflege selbst nicht mehr leisten und ist selbst pflegebedürftig.  

Allerdings brachte mich mein Versprechen an den Rand meiner Kräfte und darüber hinaus. Morgens vor der Arbeit – ich arbeite Vollzeit – fuhr ich zu meine Eltern, versorgte meinen bettlägerigen Vater, der nur noch langsam und sehr geschwächt meinen Bitten folgen konnte. 

Ich ließ meiner Mutter das von mir vorgekochte Mittagessen da und ging zur Arbeit. In der Mittagspause oder nach der Arbeit ging ich rasch einkaufen, fuhr wieder zu meinen Eltern und versorgte meinen Vater für die Nacht. Dazu kam die Organisation der Pflegemittel, Medikamente und ärztlichen Versorgung. Zum Glück habe ich eine verständnisvolle Arbeitgeberin, die mir flexible Arbeitszeiten ermöglicht.

Aber immer mehr merkte ich, dass meine Kräfte schwanden, die Sorge um meine Eltern ließen mich nicht mehr schlafen und ich hatte keine Zeit, etwas für mich zu tun. Ich ging nicht mehr zum Sport, nahm durch den Stress und das unregelmäßige Essen an Gewicht zu und funktionierte nur noch wie eine Maschine. Ich war ausgebrannt und wusste nicht, wie lange ich das noch durchhalten kann. Als mein Vater verstarb, organisierte ich die Beerdigung und Behördensachen für meine Mutter. Ich räumte die Wohnung um und passte sie den Bedürfnissen meiner Mutter an. 

Ich hatte von der Möglichkeit gehört, dass das Müttergenesungswerk auch Kuren für pflegende Angehörige anbietet und stellte einen Antrag bei meiner Krankenkasse. Nach drei Wochen erhielt ich die Zusage. Mit meiner Mutter, einer Tagespflegeeinrichtung und meiner Familie organisierte ich die Versorgung meiner Mutter während der Kur. Natürlich hatte ich ein schlechtes Gewissen, aber ich brauchte dringend eine Auszeit.

In der Mütterklinik in Wertach habe ich mich vom ersten Moment an sehr wohl gefühlt. Die Wertschätzung und herzliche und warmherzige Art der MitarbeiterInnen hat mich sehr berührt. Die Klinik ist hell und freundlich und ich hatte ein sehr schönes Zimmer mit Blick auf die Alpen.

In der ersten Woche habe ich neben den behutsam ausgewählten Therapieangeboten praktisch nur geschlafen und wollte niemanden hören oder sehen. Ich war total erschöpft. In der zweiten Wochen bin ich so langsam wieder aufgetaucht, wurde umsorgt und nahm mehr und mehr Therapieangebote an: Kneippen, Massagen, Walken, Einzel- oder Gruppengespräche, Trauerverarbeitung, der Austausch mit anderen Pflegenden - die Angebote waren vielfältig. Einige Frauen fingen wieder mit Stricken oder Tanzen an, auch Malen oder Filzen - alles Dinge, die wir lange nicht mehr gemacht haben. Wir waren eine tolle Gruppe von Frauen, die sich super verstanden und sich über die Dinge austauschen konnten, die uns im Alltag als Pflegende beschäftigen. 

Mir haben vor allem die Einzel- und Gruppengespräche mit der Sozialpädagogin und Psychologin gut getan. Sie hat uns Familienstrukturen erklärt und bewusst gemacht, welche verschiedenen Persönlichkeiten wir in uns haben (z. B. die Königin) und wie sie wieder harmonisieren können. Aber auch Möglichkeiten, trotz der Pflege unserer Angehörigen wieder mehr auf uns zu achten und die Balance zu halten.

In der dritten Woche spürte ich meine Kraft und Energie wieder, nahm an Stepp- und Yogakursen und an der Wassergymnastik teil. Abends tanzten wir ausgelassen im Sportraum und hofften, dass uns niemand sieht. 

Ich bin wieder aufgeblüht in der Klinik, konnte Kraft und Optimismus tanken. Ich habe gelernt, wieder mehr auf mich zu achten und trotz des stressigen Alltags einen Teil des Tages etwas für mich zu tun, auch wenn es manchmal nur Kleinigkeiten sind. Und ich konnte den Schmerz über den Tod meines Vaters besprechen und in Dankbarkeit und Stolz umwandeln. 

Ich bin sehr dankbar, dass ich die Möglichkeit hatte, diese Kurmaßnahme zu machen. Ich danke vor allem den MitarbeiterInnen der Klinik sehr für die wertschätzenden Begegnungen und die tolle, professionelle Arbeit. Aber auch dem Müttergenesungswerk, das diese Kurmaßnahmen erst ermöglicht."

 *Name geändert