
Im Interview mit der Tanz- und Bewegungstherapeutin Beate Harter von der Klinik Caritas Haus Feldberg sprechen wir über die mentale Gesundheit von Müttern, Vätern und pflegenden Angehörigen. Sie teilt wertvolle Einblicke aus dem Klinikalltag und erklärt, wie tägliche Herausforderungen und Überlastung das Wohlbefinden und sogar die Gesundheit beeinträchtigen können.
Besonders spannend: Wir erfahren, wie Bewegung und speziell das Tanzen dabei helfen, Stress abzubauen und emotionale Blockaden zu lösen. Passend dazu lud das Müttergenesungswerk während der Woche der Gesundheit vom 10. bis 20. Oktober 2024 auf Social Media u. a. zur Mental Dance Challenge ein, bei der wir zusammen mit den Kliniken im MGW-Verbund, Influencer*innen und weiteren engagierten Menschen für mehr Aufmerksamkeit für gesunde Sorgearbeit getanzt haben.
Interview mit Tanz- und Bewegungstherapeutin Beate Harter
Welche besonderen Herausforderungen erleben Mütter, Väter und pflegende Angehörige im Alltag und wie wirken sich diese auf ihre mentale Gesundheit aus?
Mütter, Väter und pflegende Angehörige leisten im Alltag unglaublich viel. Sie haben nicht nur ihren eigenen Alltag zu bewältigen, sondern tragen auch die Verantwortung für ihre Kinder und Angehörigen. Dies ist eine enorme zusätzliche Aufgabe und kann auf Dauer ohne adäquaten Ausgleich zu steigenden Belastungen führen, und sich somit auf die mentale Gesundheit auswirken.
Welche typischen Symptome von mentaler Überlastung treten bei Müttern, Vätern und pflegenden Angehörigen häufig auf?
Im Klinikalltag berichten die Mütter immer wieder von innerer Unruhe, Getrieben Sein, Gereiztheit, Unausgeglichenheit und dem Gefühl, nur noch zu funktionieren. Dies kann sich über einen längeren Zeitraum auch zu Depressionen, Angstzuständen und chronischen Erschöpfungszuständen entwickeln.
Inwiefern spielt das soziale Umfeld eine Rolle für die mentale Gesundheit von Müttern, Vätern und pflegenden Angehörigen?
Das soziale Umfeld spielt eine große Rolle. Wenn Mütter/Väter und pflegende Angehörige Unterstützung von Familie und Freunden erfahren, hat dies immer eine positive Wirkung. Auch hier erzählen die Mütter wie ein Gespräch oder auch ganz konkret der Einkauf, der von einer Freundin übernommen wird, enorme Entlastung bringen kann. Es gibt Ihnen das Gefühl, nicht alleine zu sein und sie können sich so auch die ein oder andere Verschnaufpause gönnen.
Welche Rolle spielt der Zusammenhang von mentaler und körperlicher Gesundheit?
Diese zwei Bereiche sind nicht trennbar und beeinflussen sich gegenseitig sehr stark. Wenn es jemand mental nicht gut geht, fehlt oftmals die Energie, sich um den eigenen Körper zu kümmern. Bei körperlichen Schmerzen oder Beeinträchtigungen wirkt sich dies über längere Zeit stark auf die mentale Gesundheit aus.
Bewegung ist allgemein bekannt dafür, die mentale Gesundheit zu stärken. Welche speziellen Vorteile haben Mütter, Väter und pflegende Angehörige von regelmäßiger Bewegung, insbesondere vom Tanzen?
Neben den medizinischen Aspekten, wie der Aktivierung von Herz-Kreislauf, Atmung und Muskulatur, ist Bewegung immer eine tolle Möglichkeit Spannung abzubauen, sich auszupowern und den Kopf frei zu bekommen. Das Tanzen bringt die Teilnehmer in eine gewisse Leichtigkeit und bietet die Möglichkeit wieder mehr ins bewusste Spüren zu kommen, den Körper wahrzunehmen und auch den eigenen Ausdruck zu finden.
Können Sie aus Ihrer Erfahrung in der Klinik berichten, wie Mütter, Väter oder pflegende Angehörige auf Tanztherapien oder Tanzangebote reagieren? Gibt es Beispiele für besonders positive Veränderungen?
Anfangs sind die Mütter häufig etwas skeptisch, was da wohl auf sie zu kommt. Sobald die anfängliche Scheu überwunden ist, beobachte ich oft, wie schnell die Frauen mit viel Freude und Spaß ins Tanzen kommen und mit der Zeit ihren eigenen individuellen Ausdruck finden. Das Gruppensetting unterstützt zudem auch den Prozess, durch Bewegung auf nonverbaler Ebene in Kontakt mit den anderen Teilnehmerinnen zu kommen. Ich erlebe immer wieder, wie schnell die Frauen auch den Zugang zur emotionalen Ebene finden. Dies zeigt sich nicht nur durch gemeinsames Lachen, sondern auch das Erleben meist unterdrückter Gefühle, wie Trauer und Wut. Dies zu spüren und auch zuzulassen erleben die Frauen oft als Erleichterung.
„Nichts zu müssen, einfach mal auszuprobieren“ ist eine von vielen Rückmeldungen. Sich nur mal auf eine Sache zu konzentrieren und nicht schon wieder alles im Kopf durchzuplanen. Im Moment zu sein und achtsamer im Umgang mit dem Körper zu sein.
Für Menschen, die vielleicht noch keine Verbindung zum Tanzen haben: Wie einfach ist es, damit anzufangen? Und welche Tanzformen oder -stile sind besonders empfehlenswert für Anfängerinnen und Anfänger?
Meiner Meinung nach kann jede/jeder tanzen. Es gibt natürlich immer gewisse Vorstellungen, ob sportlich oder ganzheitlich oder was das Äußere also die Tanzrichtung angeht. Ich würde immer nach dem eigenen Interesse für einen Tanzstil gehen und dann eine Probestunde machen. Manchmal braucht es auch etwas Mut dazu. Es gibt natürlich auch die Möglichkeit eine Tanztherapie im Einzel- oder Gruppensetting bei niedergelassenen Therapeuten zu beginnen.
Wie lässt sich Bewegung im Alltag integrieren, besonders für Mütter, Väter oder pflegende Angehörige, die oft wenig Zeit haben?
Schon alleine Bewegung in den Alltag bewusster zu integrieren kann sehr unterstützend sein wie z.B. Wege mit Rad oder Fuß zu gehen, Treppen zu nutzen, und auch mal die berühmte Runde um den Block, um den Kopf frei zu bekommen. Feste Kurstermine sind für manche hilfreich und manchmal braucht es neben dem ganzen Trubel auch mal bewusst Pausen zum Durchatmen und Kräfte sammeln.
Es hilft schon, die Körpersignale wieder bewusster wahrzunehmen, zu spüren was sagt mir mein Körper, was ist gerade gebraucht. Sich immer wieder auf den Weg zu machen, einen Ausgleich für sich zu finden, um aufzutanken und sich zu stärken. Ich finde es dabei sehr wichtig, etwas zu finden, was einem wirklichen Spaß macht und Freude bringt.
Gibt es spezielle Angebote in Ihrer Klinik, die sich auf Bewegung und Tanz zur Förderung der mentalen Gesundheit konzentrieren?
Bei uns in der Klinik habe ich bereits vor mehr als 15 Jahren begonnen die Tanz- und Bewegungstherapie für Mütter als festen Bestandteil der angebotenen Therapien zu etablieren. Die Frauen, die die Tanztherapie verordnet bekommen, treffen sich drei Mal für 75 min innerhalb einer festen Gruppe.
Vielen Dank für das Interview!